Der von der Corona-Krise schwer getroffene Lufthansa-Konzern will noch mehr Stellen als bislang geplant streichen und weniger Flugzeuge langfristig betreiben als konzernweiten Restrukturierungsprogramms "ReNew" zuletzt avisiert. Derzeit verliere der Konzern monatlich 500 Millionen Euro, erklärte der Vorstand. Diese Zahl soll bis zum Winter auf 400 Millionen Euro sinken.
Wie das Unternehmen nach einer Vorstandssitzung am Montag mitteilte, erhöht sich nun der bisher avisierte rechnerische Personalüberhang durch die Corona-Folgen von 22.000 Vollzeitstellen weiter - eine genaue Zahl der zusätzlich wegfallenden Arbeitsplätze nannte der Konzern zunächst allerdings nicht.
Zudem werden wohl mindestens 150 Flugzeuge der einstmals 760 Jets umfassenden Konzernflotte dauerhaft nicht mehr abheben, teilte der Konzern mit. Bislang hatte Lufthansa mit einer mittelfristig um 100 Flugzeuge reduzierten Konzernflotte geplant.
Nun mottet der Konzern die gesamte Airbus-A380-Flotte langfristig ein, sofern er sie nicht - wie bereits vor Corona vereinbart - an den Hersteller Airbus zurückgeben kann. Die Maschinen im Langzeitparkmodus sollen bei kurzfristigem Bedarf aber wieder reaktiviert werden.
Zehn A340-600 werden ebenfalls in "Long-Term Storage" versetzt und aus der Planung genommen, teilte Lufthansa mit. Die restlichen sieben A340-600 sollen dagegen ganz ausgemustert werden. Insgesamt fallen im laufenden Quartal Wertberichtigungen bei der Flotte in Höhe von 1,1 Milliarden Euro an.
Kritik an unkoordinierten Reisebeschränkungen
Im laufenden Jahr wird wegen der fortgesetzten Reisebeschränkungen nur noch ein Flugangebot zwischen 20 und 30 Prozent des Vorkrisenniveaus erwartet. Ursprünglich wollte Lufthansa zum Jahresende wieder die Hälfte ihrer Flugzeuge in der Luft haben. Mit dem Ende der Sommerreisezeit gingen Passagier- und Buchungszahlen aber wieder zurück, nachdem in den Monaten Juli und August noch "leichte Erholungstendenzen" spürbar gewesen seien.
Die Aussichten für den internationalen Luftverkehr hätten sich in den vergangenen Wochen deutlich eingetrübt, begründete der Konzern die Schritte. Man sehe in der Ausweitung von Corona-Tests eine "wesentliche Voraussetzung" zur Wiederaufnahme der globalen Mobilität, wandte sich der Vorstand an die Politik, die zum Monatsende die kostenlosen Tests gegen eine Quarantäne ersetzen will. "Konsequentes Testen ist möglich, erhöht die Sicherheit für Reisende und ist im Gegensatz zu wechselnden und uneinheitlichen Einreise- und Quarantäneregelungen die bessere Alternative", so Lufthansa.
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Aktuell leiden die Konzern-Marken Lufthansa, Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels unter den komplexen Einreisebeschränkungen der verschiedenen Nationalstaaten. Einzig die Frachtflüge bringen noch Geld in die Kasse.
Nur die massive Staatshilfe aus den vier Heimatländern in Höhe von zusammen neun Milliarden Euro hat den Kollaps des hoch verschuldeten Konzerns verhindert. Gleichwohl verliert das Unternehmen in der anhaltenden Corona-Flaute jeden Monat 500 Millionen Euro liquide Mittel.
Nach jüngsten Zahlen sind von den gut 138.000 Mitarbeitern weltweit vom Jahreswechsel noch rund 128.000 im Unternehmen. Vor allem im Ausland verließen Beschäftigte die Lufthansa, während es in Deutschland bislang für große Beschäftigtengruppen noch keine Übereinkunft mit den Gewerkschaften gibt.
Gespräche mit Gewerkschaften angekündigt
Lufthansa kündigte Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern über den anvisierten Stellenabbau an. Genaue Zahlen über die 22.000 wegfallenden Stellen hinaus nennt Lufthansa nicht. Insider gehen von bis zu 5000 zusätzlich abzubauenden Jobs aus. Unklar blieb weiter, wie viele der aktuell noch rund 128 000 Lufthanseaten eine Kündigung fürchten müssen. Vor allem im Ausland haben seit Jahresbeginn rund 10.000 Menschen die Airline verlassen. Für die deutsche Belegschaft laufen Gespräche über Interessensausgleich und Sozialpläne.
Während es mit den Flugbegleitern und den Piloten bereits Übergangsvereinbarungen gibt, stellt sich Verdi noch quer. Lufthansa müsse "Perspektiven zum sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau" in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern aufzeigen, hieß es von der Gewerkschaft, die im Wesentlichen die Bodenmitarbeiter bei Lufthansa vertritt.
"Die Beschäftigten verdienen eine ehrliche Perspektive. Betriebsbedingte Kündigungen sind der falsche Weg", sagte Mira Neumaier, Verdi-Bundesfachgruppenleiterin Luftverkehr. Die Beschäftigten seien bereit, ihren Beitrag zu leisten, jedoch nicht ohne dafür Sicherheiten zu erhalten. So habe Lufthansa beispielsweise bereits Altersteilzeitverträge gekündigt und langjährig Beschäftigten wenige Monate vor Renteneintritt mit Kündigung gedroht. "Dieser Kulturwandel innerhalb der Lufthansa schürt Angst und ist eine moralische Bankrotterklärung."
Verdi machte sich auch die Kritik der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit an den Management-Plänen für die neue Touristikplattform "Ocean" zu eigen, für die zunächst 300 neue Stellen auf einem niedrigeren Lohnniveau als bei der Muttergesellschaft ausgeschrieben sind.
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Der Lufthansa-Vorstand verwies auf sein Ziel kreativer Teilzeitmodelle und laufende Verhandlungen mit den Arbeitnehmern. Man strebe weiter mit den Tarifpartnern entsprechende Krisenpakete an, damit möglichst wenigen betriebsbedingt gekündigt werden müsse.
Gleichzeitig verschlankte man auch die Führungsstruktur weiter. Eine Neuverteilung von Verantwortlichkeiten soll helfen, im ersten Quartal 2021 rund 20 Prozent weniger Mitarbeiter in Leitungspositionen zu haben. Zudem soll unter anderem der Verzicht auf angemietete Büroflächen helfen, die monatlichen Kosten weiter zu drücken.