Dr. Volker Wissing (FDP) soll das Amt des Verkehrsministers übernehmen. Damit ist er für die Luftverkehrsbranche von großer Relevanz, denn er wird künftig wichtige Entscheidungen zum Luftverkehr treffen. Vor diesem Hintergrund hat airliners.de mit verschiedenen Branchenvertretern über den designierten Minister gesprochen.
Der ehemalige FDP-Generalsekretär Volker Wissing wird neuer Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Luftverkehrsbranche ist darüber weder unglücklich, noch hat sie aufgeatmet - sie ist vielmehr überrascht.
Eigentlich hatte sich die Branche schon darauf eingestellt, dass künftig ein Grüner, zum Beispiel Anton Hofreiter, Tarek Al Wazir oder Cem Özdemir, das Amt des Verkehrsministers bekleiden würde. Immerhin trägt der Verkehr wesentlich zum Klimagasausstoß bei - ein grünes Kernthema im Wahlkampf.
Ganz abwegig war Wissing als Kandidat für das Amt aber nicht, zumindest airliners.de-Kolumnist Karl Born hatte schon vor zwei Monaten in seiner Ansage Nummer 171 "Kampf ums Verkehrsministerium" prophezeit, der Liberale könne ein geeigneter Kandidat sein.
Jurist und FDP-Politiker mit Ampel- und Verkehrserfahrung
Der gebürtige Rheinland-Pfälzer bringt bereits Ampel-Erfahrung aus seinem Heimatbundesland mit. Zuletzt war er dort als stellvertretender Ministerpräsident für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau tätig, wie er auf seiner eigenen Website beschreibt.
Zum Thema Luftverkehr hat er sich bislang allerdings nicht mit einer besonderen Zu- oder Abneigung hervorgetan, einmal abgesehen von eher weniger wohlwollenden Kommentaren zum Fluglärm, der vom hessischen Flughafen Frankfurt nach Rheinland-Pfalz dringt. Zudem hatte er in seiner landespolitischen Laufbahn mit dem Flughafen Hahn zu tun.
Wissing hat eigentlich einen juristischen Hintergrund und soll wohl auch als Kandidat für den Justizminister gehandelt worden sein. Das Studium der Rechtswissenschaften schloss er mit dem zweiten Staatsexamen ab, war anschließend unter anderem Richter beim Landgericht Zweibrücken und beim Amtsgerichts Landau, Staatsanwalt sowie Richter beim Landgericht Landau, bevor er im Jahr 2000 Persönlicher Referent des ehemaligen rheinland-pfälzischen Justizministers Herbert Mertin (FDP) wurde.
Bereits seit 1998 ist Wissing Mitglied der FDP und bekleidete seitdem verschiedene Ämter für die Partei. Ab 2007 war er als stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Rheinland-Pfalz und als Mitglied des FDP-Bundesvorstandes tätig. Im Mai 2011 wurde Wissing zum Landesvorsitzenden der FDP, Ende 2013 dann zum Beisitzer des FDP-Präsidiums und im September 2020 schließlich zum FDP-Generalsekretär gewählt.
Zwar ist sich Wissing Beobachtern zufolge über die Bedeutung des Luftverkehrs als Job- und Wirtschaftsmotor im Klaren. Allerdings hat sich der 51-Jährige bislang noch nicht als besonderer Akteur in der Luftverkehrspolitik hervorgetan. Damit unterscheidet sich der FDP-Politiker durchaus von den anderen zuvor als potenziellen Kandidaten auf das Ministeramt gehandelten Personen, etwa dem Grünen Anton Hofreiter.
Hofreiter versus Wissing
Genau wie zuletzt Cem Özdemir war Hofreiter bereits als Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag tätig und gilt als genauer Kenner der Branche. Daher könne Hofreiter womöglich sogar ein besser geeigneter Verkehrsminister gewesen sein, heißt es in der Luftverkehrsbranche. Er habe ein scharfes Profil als Verkehrspolitiker und verstehe die Positionen und Herausforderungen der Verkehrsluftfahrt. Allerdings seien die Grünen, obwohl gut vorbereitet und mit der Materie vertraut, generell keine Befürworter der Luftfahrt.
Dennoch bleibt aus Sicht der Branche fraglich, inwieweit ein FDP-Minister im Verkehrsressort der Branche wirklich helfen will oder überhaupt kann. Das neue "Superministerium", das Robert Habeck (Grüne) nun anführen soll, könnte nämlich auch Einfluss auf den Verkehr nehmen. Zwar kommt das von den Grünen geforderte Vetorecht für das Superministerium in deutlich abgeschwächter Form, dennoch müssen bei jedem neuen Gesetzesentwurf die Auswirkungen auf das Klima durch das Habeck-Ministerium geprüft und aufgeführt werden.
Gegebenenfalls sieht Wissing sein Ministerium sogar per Definition eher als Digitalministerium, wobei der Verkehr nur am Rande stünde. Ohnehin ist für den Luftverkehr neben dem Verkehrsministerium auch das Wirtschafts- sowie das Umweltministerium bedeutend. Wie sich die neue Regierung zum Luftverkehr positioniert, bleibt also noch abzuwarten.