Warum der Markthochlauf für die Wasserstoffwirtschaft so komplex ist, © Adobe Stock/Naka
Wasserstoff für die Luftfahrt. © Adobe Stock / Naka
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Von der ewigen Zukunftstechnologie zur energiepolitischen Priorität für die 2020er Jahre. Wasserstoff ist in kurzer Zeit zu einem Hoffnungsträger für die Energiewende geworden. In der Serie "Basiswissen Wasserstoff" betrachtet airliners.de die Herstellungs- und Transportarten, die Einsatzmöglichkeiten als Energieträger in der Luftfahrt und wie die Etablierung am Markt gelingen soll.

Neben dem hohen Forschungs- und Entwicklungsbedarf steht der Umbau der Energieversorgung inklusive der Einführung einer Wasserstoffwirtschaft vor einer großen ökonomischen Herausforderung: Neuer Technik auf breiter Front zum Durchbruch zu verhelfen, obwohl es am Markt in Form fossiler Brennstoffe bewährtere und wirtschaftlich weitaus effizientere Alternativen gibt.

Der Aufbau von Nachfrage und Angebot als Grundlage für eine Wasserstoffwirtschaft muss Hand in Hand gehen und dabei zügig hoch skalieren, um einen nennenswerten Nutzungseffekt zu erzielen und die Kosten einigermaßen legitimieren zu können. "Damit Wasserstoff wirtschaftlich wird, müssen wir die Kostendegressionen bei Wasserstofftechnologien voranbringen. Ein schneller internationaler Markthochlauf für die Produktion und Nutzung von Wasserstoff ist hier von großer Bedeutung, um technologischen Fortschritt sowie Skaleneffekte voranzutreiben und zeitnah die notwendige kritische Masse an Wasserstoff für die Umstellung erster Anwendungsbereiche zur Verfügung zu haben", hält die Bundesregierung in ihrer "Nationalen Wasserstoffstrategie" fest.

Ebenso wie die "Wasserstoffstrategie der Europäischen Union" legt die Regierung den Fokus auf der Angebotsseite auf den Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur zur Produktion und Transport von Wasserstoffprodukten und öffentlich-private Partnerschaften zur Weiterentwicklung der Technik, um die notwendigen Kostenreduktionen zu erzielen (s. Teil 3).

Vom Angebot zur Nachfrage

Auch zum Aufbau der avisierten Nachfrage haben Experten und Behörden eine Reihe von Maßnahmen ins Auge gefasst. In Deutschland werden derzeit rund 55 TwH Wasserstoff jährlich verbraucht, fast ausschließlich in der Chemie-Industrie. Diese Zahl soll sich bis 2030 verdoppeln, vor allem durch den vermehrten Einsatz im Verkehrssektor.

Ein staatlicher Anreiz für die Produktion alternativer Kraftstoffe kann durch Mengenausschreibungen erreicht werden, empfiehlt der "Werkstattbericht Alternative Kraftstoffe" der Nationalen Plattform Mobilität (NPM). Mit diesem Instrument können von der öffentlichen Hand wettbewerbliche Ausschreibungen für Kraftstoffmengen durchgeführt werden. Für diese jährlichen Kraftstoffmengen würden feste Vergütungen für einen definierten Zeitraum gezahlt. Durch die Anzahl der Ausschreibungen und die Höhe der Ausschreibungen kann die zu produzierende Kraftstoffmenge gesteuert werden.

Eine solche Quote existiert bereits EU-weit durch die Vorgaben der "Renewable Energy Directive" (RED). Deren neueste Version sieht vor, dass die im Verkehrssektor eingesetzte Energie bis 2030 zu mindestens 14 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen muss. Dass als RED 2 bekannte verschärfte Direktive muss jedoch vielerorts noch vollständig in nationales Recht umgesetzt werden. Auch ein eigenes Gesetzeswerk für eine Wasserstoffquote im Rahmen der "Europäischen Wasserstoffstrategie" scheint denkbar. Eine solche Quote laufe jedoch immer Gefahr durch den Markteingriff andere Technologien in ihrer Entwicklung zu beschränken, gibt Prof. Mario Ragwitz Leiter des Fraunhofer-Instituts für Energieinfrastrukturen zu Bedenken.

Die Mengenausschreibungen könnten für einzelne Sektoren wie den Luftverkehr erlassen werden, sich an bereitgestellten Mitteln zu Vergütung für die Mehrkosten orientieren, an klimapolitischen Erwägungen oder vorzuhaltenden Produktionskapazitäten.

Ein ökonomischer Anreiz für den Einsatz alternativer Kraftstoffe durch Verkehrsteilnehmer könne durch eine teilweise oder vollständige Orientierung der Energiesteuer an den CO2-Emissionen erreicht werden, sind sich Umweltpolitiker sicher. In Deutschland wird die Energiesteuer aufgrund der europarechtlichen Vorgaben bisher unabhängig von den CO2-Emissionen eines Kraftstoffs erhoben. Die Besteuerung erfolgt somit unabhängig davon, ob es sich um fossile oder alternative Kraftstoffe handelt.

Die EU-Energiesteuerrichtlinie legt die Mindeststeuersätze pro Liter zum Beispiel für Benzin und Diesel fest, allerdings auf einem Niveau, das deutlich unter den aktuellen Steuersätzen in Deutschland und auch in vielen anderen Mitgliedsstaaten liegt. Im Rahmen des Green Deal wird eine Überarbeitung der Richtlinie von der EU-Kommission bis Juni 2021 vorgeschlagen. Der vollständige Wegfall des CO2-unabhängingen Steueranteils wird offen diskutiert, was die derzeit noch großen Mehrkosten für grünen Wasserstoff und darauf basierende Kraftstoffe gegenüber fossilen Energieträgern verringern würde.

Auch der weitere Ausbau des Emissionshandels ist aus Expertensicht unvermeidbar, um auf der Nachfrageseite die entsprechenden Anreize in Investitionen für eine Umstellung des Verkehrs zu schaffen. Vielfach wird für eigene Handelssysteme für verschiedene Industriesektoren plädiert. Für den Straßenverkehr kommt ein solcher mit dem "Brennstoffemissionshandelsgesetz" (BEHG). Es sieht die Bepreisung aller Emissionen aus Brennstoffen mittels Zertifikaten vor, die nicht vom EU-Emissionshandel erfasst werden.

Der Luftverkehr unterliegt jedoch sowohl dem EU-ETS als auch dem gerade gestarteten globalen Kompensationssystem Corsia. Während Corsia von Umweltexperten immer wieder als zu wenig ambitioniert beschrieben wird, soll der EU-ETS für alle Branchen durch einen höheren Zertifikatepreis nach dem willen der EU-Kommission verschärft werden. Noch ist nicht ganz klar, inwiefern der Luftverkehr langfristig im EU-ETS verbleibt, die Verhandlungen laufen.

Doch nicht nur der generell höhere Preis für Energie aus Wasserstoff, sondern auch Unsicherheiten über die Preisstabilität können zum Investitionshemmnis auf der Nachfrageseite werden. Abhilfe können hier sogenannte "Contracts for Difference" (CFD) schaffen, wie sie bereits zur Stärkung erneuerbarer Energien im Strommarkt zum Einsatz kommen. So könnte eine Art Festpreis für Wasserstoffprodukte festgelegt werden, die normal am Markt gehandelt werden und dann per Ausgleichszahlung vom Verkäufer an den Käufer oder andersrum den vorher festgelegten CFD-Preis erreichen.

Die aufgezählten regulativen Instrumente und das Commitment der Industrie, auch der Luftfahrtbranche, zur Nutzung von Wasserstoff lassen einen klaren Anstieg der Wasserstoffnachfrage in den kommenden beiden Jahrzehnten erwarten. Doch an der gezielten Steuerung der Nachfrage führt für Experten kein Weg vorbei.

Eine neue Untersuchung des Londoner Thinktanks Aurora Energy Research warnt bereits vor einem Wasserstoff-Hype, der den Preis so hochtreiben könnte, dass Einsatzpläne im Verkehr Makulatur werden. Wird Wasserstoff nur im Industriesektor, etwa in der Chemieindustrie eingesetzt, würde Deutschland voraussichtlich mit einer Menge von 150 TWh pro Jahr auskommen, schreiben die Studienautoren. Dagegen würde sich die Nachfrage durch den Einsatz in Heizungen und Fahrzeugen mehr als verdreifachen auf voraussichtlich 500 TWh bis 2050.

In der Folge würden die Preise steigen, 2040 könnten dann vier Euro/kg statt nur um die zwei Euro/kg für grünen Wasserstoff anfallen. Das liege vor allem an den höheren Strompreisen, die Produzenten entrichten müssten, wenn die Anlagen maximal ausgelastet sind. "Bei niedriger Nachfrage können die Elektrolyseure viel häufiger die niedrigen Strompreise in Phasen von viel Sonne und Wind nutzen", erklärte Alexander Esser von Aurora Energy Research dem Energate-Messenger den Preisunterschied. Bei steigender Nachfrage müssten die Elektrolyseure auch bei hohen Strompreisen weiterlaufen.

Wasserstoff für den Straßenverkehr oder nicht?

"Um die Kosten von grünem Wasserstoff gering zu halten, sollten somit Sektoren, in denen das möglich ist, bevorzugt elektrifiziert werden, allen voran der Verkehrs- und der Wärmesektor", so Esser weiter. Andernfalls lasse sich die Nachfrage nur dann "zu akzeptablen Kosten" decken, wenn blauer, aus Erdgas gewonnener Wasserstoff eingesetzt wird. Denn mindestens bis 2040 sieht das Beratungsunternehmen hier "deutliche Preisvorteile" gegenüber dem grün produzierten Wasserstoff.

Die Gefahr eines zu hohen Preises kann laut der Aurora-Studie auch nur sehr bedingt durch die geplanten umfangreichen Importe von grünem Wasserstoff beispielsweise aus Nord-Afrika gebannt werden. Sobald der Bau neuer Fernleitungen oder ein Transport per Schiff nötig seien, werde der interkontinental importierte Wasserstoff teurer als der aus heimischer Produktion, wird Esser zitiert. In dem 32-seitigen Papier finden sich Kosten von 75 bis maximal 99 Euro/MWh inklusive Schiffstransport gegenüber 52 Euro/MWh bei der heimischen Wasserstoffproduktion.

Im Kern geht es in der Sektorendiskussion um die Frage, ob eine Ausweitung der Produktion nachhaltiger Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis in einer Größenordnung realistisch und anzustreben ist, die auch eine weitgehende Versorgung des Straßenverkehrs erlauben würde. Oder ob die Nutzung auf Verkehrssektoren beschränkt werden sollte, in denen eine Elektrifizierung absehbar nicht möglich ist, wie den Luft- und Seeverkehr.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betont im Rahmen der NPM, Klimaschutzziele im Verkehr seien nicht allein durch Elektromobilität und Verkehrsverlagerung erreichbar. Solange die E-Mobilität noch kein Massenphänomen geworden sei, brauche es eine Vervierfachung der heutigen Mengen an CO2-neutralen Kraftstoffen.

Alternative Kraftstoffe seien als "künstliche Lebenserhaltungsmaßnahme" für den Verbrennungsmotor ungeeignet betont hingegen der Umweltverband BUND. "Diese Kraftstoffe sind zu kostbar, um sie im normalen Pkw-Motor zu verbrennen", sagte der BUND-Vertreter in der NPM, Ernst-Christoph Stolper. Die Energieeffizienz ihres Einsatzes im Verkehr sei deshalb im Verhältnis zum batterieelektrischen Antrieb fünf bis acht Mal geringer. Ihr Einsatz komme somit nur in Bereichen in Betracht, in denen eine direkte Elektrifizierung nicht möglich sei, wie im Flug- und Seeverkehr.

Ein Teil der Mitglieder der Kommission gehe davon, dass sich die Frage der Knappheit erneuerbarer Energien mittel- und langfristig "durch die technische und wirtschaftliche Erschließung der vorhandenen physikalischen Potenziale erneuerbarer Energien weltweit" nicht mehr stellt, heißt es in dem Bericht. Doch andere würden eine deutlich unterschiedliche Position vertreten: Für sie bleibe die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien sowohl in Deutschland als auch weltweit mittel- und langfristig ein knappes Gut. Die direkte Stromnutzung sei, wo möglich, daher die prioritäre technische Klimaschutzoption. Zudem sei davon auszugehen, dass relevante Mengen alternativer Kraftstoffe erst dann zur Verfügung stünden, wenn im Straßenverkehr die Transformation zu elektrischen Antrieben bereits sehr weit fortgeschritten sei.

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft steht vor der Herausforderung, umfassende Förderung zu benötigen, und dabei das Nachfrage-Volumen genau zu steuern. Es gilt, ein Preis-Niveau zu vermeiden, dass durch Subventionen kaum ausgeglichen werden kann und so einen effizienten Einsatz der Technik stark beschränken würde. Die Frage, in welchen Sektoren Wasserstoff als Energierträger beziehungsweise Grundprodukt für Kraftstoffe zum Einsatz kommen soll, muss für die Luftfahrtplanungen, gerade mit Blick auf den Straßenverkehr, möglichst zügig geklärt werden.

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