Logistikwissen zum Durchstarten

Alexander Garbar (links) und Johannes Franke sorgen bei Startport für einige Veränderungen.
© Startport
„Wir krempeln Startport um“
Von Amelie Bauer

Nach fast fünf Jahren an der Spitze von Startport hat Gründungsgeschäftsführer Peter Trapp den Posten an eine Doppelspitze abgegeben. Alexander Garbar und Johannes Franke leiten die Duisburger Innovationsplattform seit April gemeinsam – und haben einige Veränderungen in petto. 

DVZ: Wie lautet Euer Fazit für die ersten Monate als neue Doppelspitze?

Alexander Garbar: Es läuft sehr gut, würde ich sagen. Johannes und ich kennen uns ja schon lange – fünfeinhalb Jahre. Wir konnten auf einer guten, soliden Vertrauensbasis aufbauen und auch dementsprechend direkt durchstarten. Natürlich mussten wir schauen, dass wir unsere Aufgabenbereiche klar definieren, um möglichst effizient zu agieren. Ich habe im Duisburger Hafen eine Doppelfunktion, ich verantworte den Bereich der Unternehmensentwicklung und Strategie und bin außerdem Geschäftsführer von Startport.

Johannes ist Vollzeit für Startport da und ist die erste Ansprechperson für alle operativen Themen, für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor Ort, die Eventplanungen und das Management. Ich bilde, aus meiner Rolle als Verantwortlicher für die Unternehmensentwicklung, die Schnittstelle zu den strategischen Themen und sorge für die strategische Ausrichtung. Zudem bilde ich die Schnittstelle zum Gesellschafter, dem Duisburger Hafen, um dort die Innovationsthemen in den Hafen hineinzutragen.

Es gibt also eine ganz klare Trennung, wer welche Aufgaben übernimmt?

Garbar: Ja. Natürlich stehen wir beide in der Verantwortung, Startport nach vorne zu bringen und versuchen auch gegenüber den Mitarbeitern Präsenz zu zeigen. Aber ansonsten gibt es eine ganz klare Trennung, damit wir beide frei agieren können und es nicht ständig zu Überschneidungen kommt. Auch für die Mitarbeiter ist es wichtig zu wissen, mit wem sie über welche Themen reden können.

Woher kam die Idee, die Leitung künftig als Doppelspitze zu übernehmen? Und welche Veränderungen stehen nun an?

Garbar: Alle Tochtergesellschaften der Duisburger Hafen AG sind per se mit zwei Geschäftsführern ausgestattet. Es gilt immer das Vier-Augen-Prinzip. Das wurde beim Startport nun ebenfalls eingeführt. Wir haben den Anspruch, zu wachsen und den Duisburger Hafen als Partner noch stärker zu fordern und zu fördern. Aktuell sind wir in einem Veränderungsprozess. Der Startport, wie er die letzten fünf Jahre gut funktioniert hat, wird ein bisschen umgekrempelt. Nicht komplett auf links, aber wir werden uns stärker an den Problemen unserer Partner orientieren und versuchen, diese über das Scouting von neuen Start-ups und die Suche nach innovativen Lösungen zu beheben.

Was bedeutet das konkret?

Garbar: : In der Vergangenheit gab es für Partner nur zwei Möglichkeiten, sich am Startport zu beteiligen „die Exklusivpartnerschaft“ und die Netzwerkpartnerschaft. Die Auswahl einzelner Dienstleistungen war nicht möglich. Somit bestand die Gefahr, potenzielle Partner zu verschrecken, die gegebenenfalls nicht die Kapazität haben, alle Dienstleistungen von Startport und der Exklusivpartnerschaft zu nutzen. Wir wollen jetzt auch neue Märkte erschließen und modularer arbeiten. Unternehmen können weiterhin das „große“ Paket mit allen Bausteinen buchen, aber eben auch nur einzelne Bausteine.

Das führt natürlich dazu, dass wir unser ursprüngliches Accelerator-Programm, bei dem wir Start-ups gesucht haben, die sich dann bei uns bewerben, eingestellt haben. Stattdessen suchen wir nun gezielt nach Start-ups, um diese auch gezielt mit den Unternehmen zu matchen, so dass sie gemeinsam in ein Projekt und eine gemeinsame Umsetzung gehen können. Außerdem haben wir in unserer Verantwortung für die Region weiterhin ein Inkubator-Programm, insbesondere für junge Start-ups, mit einem ganz klaren Fokus auf Jungunternehmen aus der Region. Die wollen wir fördern und ihnen zum Beispiel Arbeitsplätze und eine enge Betreuung vor Ort anbieten.

Ihr wollt in Zukunft Eure Start-ups also gezielter aussuchen als bisher. Wie geht Ihr dabei vor? 

Johannes Franke: Unsere bisherigen Bewerbungsaufrufe gibt es weiterhin. Es können sich alle bewerben, aber in der Auswahl fokussieren wir uns verstärkt auf Start-ups aus der Region, um den lokalen Gedanken zu fördern. Auf der anderen Seite gehen wir viel stärker in das Scouting hinein. Wir haben bei Startport Kapazitäten aufgebaut, um proaktiv Start-ups zu suchen, die bestimmte Lösungen anbieten, um diese dann mit den Fragestellungen unserer Partner zu matchen. Es gibt auch weiterhin die sogenannten Pitch Sessions, aber diese sind nun ebenfalls fokussiert auf den Bedarf der Partnerunternehmen.

Welche Schwierigkeiten gab es da bisher?

Franke: In der Vergangenheit wussten wir häufig nicht, ob wir wirklich einen Prozess anstoßen können, da wir erst versucht haben, Start-ups und Unternehmen zu matchen, als diese schon Teil unseres Programms waren. Diesen Prozess wollen wir umkehren, weil wir auch eine Verpflichtung gegenüber den Start-ups und den Corporates haben. Wir werben damit, dass wir sie vernetzen – und das geht nur, wenn wir ihnen eine adäquate Lösung für ein konkretes Problem präsentieren können. Dabei unterscheiden wir zwischen „Innovation Pull“ und „Innovation Push“. Beim „Innovation Pull“ stellt uns der Corporate ein Problem vor und wir suchen eine Lösung dafür. Gleichzeitig versuchen wir, ihnen über den „Innovation Push“ weitere Lösungen und Trends zu präsentieren, von denen wir glauben, dass sie spannend sind.

Wie sieht es denn auf personeller Ebene aus? Über Social Media habt Ihr in letzter Zeit regelmäßig personelle Veränderungen bekanntgegeben – wird das Startport-Team vergrößert oder neu aufgestellt?

Franke: Ich würde es nicht als große Erweiterung bezeichnen, sondern es haben personelle Veränderungen stattgefunden. Aktuell haben wir eine neue Kommunikationsmanagerin eingestellt, um den Bereich weiter voranzutreiben. Wir haben auch Werkstudenten angelernt, die uns beim Scouting-Prozess unterstützen. Es ist ein sehr hoher Aufwand, die Start-ups zu identifizieren. Wichtig ist, das Problem unserer Partner wirklich zu verstehen und diesen Hintergrund entsprechend zu haben. Seit dem Frühjahr haben wir nun auch Auszubildende von Duisport bei uns, das sind Industriekaufleute, die vier Monate lang Einblicke in unsere Arbeitsfelder bekommen und uns im Operativen vor Ort unterstützen. Jetzt nach der Corona-Zeit geht es vermehrt darum, den Coworking-Space hier im Duisburger Innenhafen wieder stärker zu beleben.

Es geht also erst einmal darum, den Stand von vor Corona wiederherzustellen? 

Franke: Genau, hauptsächlich betrifft es Veranstaltungen hier vor Ort, aber auch externe Vermietungen werden nun wieder stärker ausgebaut. Wir wollen das Ökosystem im Duisburger Innenhafen nicht nur virtuell oder über Vernetzungen pflegen, sondern auch hier vor Ort wieder vermehrt Präsenz schaffen.

Laut einer Befragung des Digitalverbands Bitkom kooperieren gerade einmal 24 Prozent der Unternehmen in Deutschland mit Start-ups. Wie nehmt Ihr die Situation derzeit in der Logistikbranche wahr?

Garbar: Man merkt natürlich immer noch, dass die Kooperation mit Start-ups für viele Unternehmen eine Herausforderung ist. Was wir insbesondere in der Logistik merken ist, dass es aufgrund der Schwierigkeiten in den vergangenen zwei Jahren – zerrüttete Supply Chain, mangelnde Transparenz, Lockdown – aber auch eine intrinsische Motivation von den Unternehmen gibt, sich mit neuen Lösungen zu beschäftigen. Man spürt, dass es einen großen Bedarf gibt, und wir bekommen viel positives Feedback.

Natürlich ist es aber weiterhin so, dass Unsicherheiten in vielen Unternehmen auch zu gewissen Einschränkungen führen. Das Geld sitzt vielleicht auch nicht immer ganz so locker, um neue Themen anzustoßen. Oder es gibt zu wenig personelle Kapazitäten, die dazu führen, dass man Prozesse eben nicht so schnell anstoßen kann – da muss man immer eine gute Balance finden. Viele Unternehmen haben Lust, aber nicht alle können. Grundsätzlich stößt man in der Logistik erst mal per se auf offene Ohren und Bereitschaft für innovative Lösungsansätze. Bei der Umsetzung gibt es dann noch eine gewisse Zurückhaltung.

Mit welchen Herausforderungen habt Ihr bei den Vernetzungen zwischen Start-ups und Großunternehmen besonders zu kämpfen?

Franke: Die größte Herausforderung ist, dass sich die Unternehmen adäquat mit Problemen, für die es einer Lösung bedarf, beschäftigen und diese auch adressieren können. Das ist für viele Unternehmen schon eine große Herausforderung, weil man sich intensiv mit sich selbst beschäftigen muss und mit den Themen, die vielleicht nicht gut laufen. Der zweite Faktor ist Kapazität. Nicht alle Unternehmen haben eine Innovationsabteilung oder einzelne Personen, die für Themen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit zuständig sind. Heißt: Da sitzen Leute, die machen operative Arbeit, haben aber nicht die Zeit, sich noch links und rechts mit neuen Themen zu beschäftigen. Das sind zwei wesentliche Herausforderungen: Kapazitäten für Innovationsthemen und die Bereitschaft, sich mit Problemen zu beschäftigen und diese auch offen nach außen zu kommunizieren.

Die meisten Unternehmen geben an, sie hätten für die Zusammenarbeit mit Start-ups schlichtweg keine Zeit – ist eine entsprechende Kooperation wirklich so zeitintensiv?

Franke: Ich glaube tatsächlich eher nicht. Unsere Erfahrung ist eigentlich, dass die Start-up-Projekte oder Themen, die man gemeinsam angeht, eher Dinge sind, die man auch schnell umsetzen kann. In der Regel sind das kleine, abgespeckte Lösungen, die nicht direkt die 100-Prozent-Lösung sein wollen, sondern die versuchen, sehr schnell erste Ergebnisse zu erzielen. Und das ist, glaube ich, nicht so der große Zeitfaktor. Man muss sich eher die Frage stellen, ob diese Unternehmen denn dann Zeit für andere Digitalisierungs- oder Innovationsprojekte haben? Ich glaube, die Zeit muss auch für solche Themen da sein, um den Anschluss nicht zu verlieren und nach vorne blicken zu können. Und da fällt für mich das Thema Start-up-Kooperation genau in diese Schiene. Das ist für mich etwas, das als ein weiterer Baustein nebenherläuft.

Startport ist bekannt dafür, den oft noch fehlenden Kontakt zwischen Start-ups und Konzernen zu ermöglichen. In welcher Rolle seht Ihr Euch da?

Franke: Wir verstehen uns als Match-Maker und Verknüpfer. Das bedeutet, wir erfassen die Bedarfe der Unternehmen und finden für sie eine passgenaue Lösung. Bei diesem Prozess befinden wir uns in der Mitte und versuchen, beide Parteien zusammenzubringen, so dass letztendlich beide Seiten davon profitieren. Die Start-ups bekommen erste Referenzkunden, und die Unternehmen haben Zugriff auf ein sehr innovatives Produkt, welches es am Markt in der Regel noch nicht gibt. Das hilft uns auch, unser Netzwerk und Portfolio immer größer zu machen.

Was würdet Ihr Unternehmen sagen wollen, die einer Zusammenarbeit mit Jungunternehmen noch skeptisch gegenüberstehen?

Garbar: Wer in der heutigen Zeit mit so vielen Unsicherheiten, Schwierigkeiten und Herausforderungen vorankommen will, muss sich mit Innovation, aber auch mit dem Stichwort Change auseinandersetzen. Wir haben zum Beispiel das Thema Arbeitskräftemangel. Wie findet man gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen? Indem man attraktiv, vital und innovativ ist und man bereit ist, einen Change-Prozess zu durchlaufen.

Es ist ganz entscheidend, sich mit Leuten auszutauschen, die Themen und Prozesse anders angehen als man es selbst tut oder in der Vergangenheit gemacht hat. Corona hat ganz klar gezeigt: Digitalisierung macht das Leben in vielen Bereichen leichter, effizienter und schneller. Kein Mensch kann sich mit jedem Thema beschäftigen, aber Innovationen zu ignorieren, löst eindeutig nicht die Probleme der heutigen Zeit. Unternehmer müssen sich mit den aktuellen Themen auseinandersetzen, sonst werden sie vom Markt überrollt. Keiner kann es sich erlauben, Effizienzen auf der Strecke liegenzulassen.

Franke: Die Projekte, die wir in der Vergangenheit schon umgesetzt haben, machen Mut. Sie helfen uns auch, bestehenden und neuen Partnern aufzuzeigen, dass unser Programm funktioniert, und geben uns Rückenwind bei der Umsetzung von neuen Projekten. Natürlich sammeln wir dabei auch Erfahrungen – nicht jedes Projekt war per se ein Erfolg.

Die Zahl der Gründerinnen ist im Logistikbereich nochmal deutlich geringer als in anderen Sektoren. Wie sieht das Geschlechterverhältnis bei Euch in den Programmen aus und was braucht es, um mehr Gründerinnen in die Logistikbranche zu locken?

Franke: Konkrete Zahlen zu nennen, ist schwierig. Aber ganz ehrlich: Das Thema kann man nicht schönreden. Der Frauenanteil in der Logistik ist sehr gering, ebenso der Frauenanteil bei Gründern oder Start-ups. Wichtig ist grundsätzlich, dass die Start-ups sehr innovative Lösungen entwickeln, die auch einen Impact haben. Ich kann mit meiner Innovation etwas bewegen und kann die Logistik nachhaltiger machen. Mit solchen Botschaften und dem innovativen Umfeld könnte man meiner Meinung nach auch den Anteil der Frauen steigern. Es ist spannend, in der Branche zu arbeiten und ich schätze, hier bedarf es einfach etwas mehr Aufklärungsarbeit.

Seht Ihr denn schon einen Wandel?

Garbar: Auf jeden Fall. Man merkt, dass es eine Offenheit gibt, sich mit Logistik zu beschäftigen, und dass sich auch Frauen mit dem Thema befassen. Aber die Branche ist in der Vergangenheit schon immer sehr männerlastig gewesen. Man kann nicht erwarten, dass man von heute auf morgen plötzlich eine extreme Frauenquote sieht, ebenso im Gründungsbereich. Das Feld ist immer noch stark männlich dominiert und da gilt es auch in der Verantwortung, die man als Netzwerker hat, dafür zu sorgen, dass viel mehr Verständnis dafür entsteht, was man eigentlich macht und womit man sich beschäftigt.

Und gerade die Themen Nachhaltigkeit und grüne Mobilität sind schon häufig weiblich besetzt, was ganz spannend und toll ist. Ich glaube, da gibt es einen Wandel. Die Logistik ist am Ende des Tages so vielfältig, dass es eben auch Themen gibt, die einfach nicht nur von Männern besetzt werden dürfen. Die Themenfelder werden auch immer weitläufiger und relevanter. Wir alle bestellen Sachen, wir alle bewegen uns fort und wir alle konsumieren. Dementsprechend ist Logistik natürlich ein Feld, das eigentlich jeden betrifft. Es sind Themen, die nah am Leben sind.

Wagen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft: Welche Pläne habt Ihr für die kommenden Monate?

Franke: Die Pipeline ist schon wieder gut gefüllt, auch was Veranstaltung angeht. Ende September planen wir im Rahmen der ruhrStartupweek eine Veranstaltung zum Thema innovative Hinterlandlogistik. Besonders wichtig ist für uns der regelmäßige Investorentag im November, dieses Format wollen wir noch weiter ausbauen und somit ein gutes, qualitatives Netzwerk schaffen. Im Dezember wird zum dritten Mal der European Innovation Day stattfinden, auch dieses Jahr wieder rein digital – so können wir auf europäischer Ebene viel mehr Teilnehmer gewinnen. Des Weiteren veranstalten wir nächstes Jahr zum zweiten Mal die Future Logistics, um hier in Duisburg Innovation greifbar zu machen. Wir haben schon viele Ideen, wie wir das Event noch größer aufziehen können.

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